@calypsoqueen
......mit deinen letzten beiden Absätzen in deinem Beitrag gibst du eine Bewertung darüber ab,
welche Beziehung (mono oder poly) besser oder schlechter ist, wahrscheinlich deine subjektive Meinung.
Natürlich gebe ich hier eine Bewertung ab. Jeder Beitrag hier ist in gewisser Weise eine Wertung und das war ja auch gefragt...wir sollten unsere Meinung zum Thema geben.
Meinen Text mit etwas Abstand lesend sehe ich nun, dass ich nicht ganz "wissenschaftlich korrekt" geschrieben habe, aber das ändert nichts an meiner Grundeinstellung und ich versuche es hier nun noch mal nachvollziehbarer zu schreiben.
Eine Beziehung zu einem einzelnen Menschen ist in der Regel mit Einschränkungen auf irgendeinem (oder mehreren) Gebiet(en) verbunden. Das liegt daran, dass wir verschieden sind und es keine zwei Menschen gibt, die zu 100% gleich ticken. Gott sei Dank, denn das wäre ja auch langweilig.
Aus diesem Grund suchen wir uns für die Bereiche, die mit dieser Person nicht deckungsgleich oder zumindest kompatibel sind, gerne "Ersatzmenschen". Bei vielen Dingen ist das kein Problem, weil es gesellschaftlich akzeptiert ist, z.B. dass Frauen mit ihren Freundinnen aufs Wellnesswochenende fahren, weil der Partner darauf keine Lust hat. Sobald es aber in den sexuellen Bereich geht, werden ganz andere Maßstäbe angesetzt.
Wenn Partner jetzt gerade in der Sexualität unterschiedlich ticken, dann bedeutet das in einer Mono-Beziehung automatisch einen gewissen Verzicht.
Das kann für denjenigen ok sein oder auch nicht. Da kommt es eben darauf an wie man damit umgeht/wo man die Grenzen zieht. Das geht von vollkommener Verdrängung bis online ist erlaubt. Vielleicht zählt man sogar noch Swingen dazu. Aber selbst beim Swingen gibt es eine emotionale Grenze, die bei der monogamen Beziehung (und hier spreche ich natürlich nur von der mental/emotional Monogamie) nicht überschritten werden darf bzw. soll und somit eben wieder Einschränkung bedeutet. Und ob jetzt eine Einschränkung etwas positives oder negatives ist, würde jetzt die nächste Diskussion aufmachen. Da fände ich auch wieder auf beiden Seiten Argumente.
Bei der Polyamorie geht es in meinen Augen darum, dass die emotionale Grenze eben nicht mehr existiert. Mehrere Beziehungen dürfen parallel gleichberechtigt existieren mit allen Facetten - also körperlich, mental UND emotional. (und was da sonst noch hinzugefügt gehört) So weit zumindest die Theorie. Dass das in Realität nicht einfach ist, und es nie alles gleich viel auf allen Ebenen gibt, ist klar, aber genau deshalb gibt es ja die unterschiedlichen Beziehungen, weil in jeder etwas anderes stärker grundausgeprägt ist (auch hier gibt es mit der Zeit Schwankungen zwischen den Beziehungen).
Warum ich es Menschen wünsche? Weil ich glaube (und ja, das ist meine Wertung), dass Liebe sich vermehrt, wenn sie geteilt wird. Und ein Mensch, der all seine Facetten leben/bedienen kann, kann auch seine Batterien viel stärker auffüllen, ist in sich ganz und in Balance und kann entsprechend auch viel mehr geben. Abgesehen davon, ist so eine Form der Freiheit in der Regel auch immer mit Bereicherung der eigenen Persönlichkeitsentwicklung verbunden, wenn man sich auf die Veränderungen und neuen Menschen im Geflecht einlässt, weil man an dem neuen/zusätzlichen Input, der anderen Denkweise und Erfahrung, den neuen Herausforderungen etc wachsen kann und man sich mit seiner dualen Beziehung ganz anders auseinander setzt.
Natürlich birgt die Polyamorie auch Gefahren. Z.B. dass man leichtfertig als Ablenkungsmanöver zur nächsten spannenden Neueroberung springt anstatt sich durch die Probleme in der aktuellen Dualbeziehung zu zweit durchzuarbeiten. Das sollte natürlich nicht passieren. Das ist aber, glaube ich, eine Sache der Grundeinstellung. Wenn ich kein Kämpfer bin, führt das in einer monogamen Beziehung dann eben oft zu Fremdgehen oder Trennung.
Die Monogamie hat natürlich auch Vorteile gegenüber der Polyamorie. Zum Beispiel keine Zeitverknappung durch einen weiteren Faktor bzw Menschen. Keine Ablenkung (vermeintlich). Normalerweise jede Nacht zu Hause, außer ein Partner ist beruflich viel unterwegs. Man muss sich nicht so sicher fühlen in seiner Beziehung. Man muss den Selbstwert nicht so intensiv spüren können. Man muss mit seiner Eifersucht nicht so gut umgehen können.
Vor allem die letzten 3 Punkte sind eine hohe Kunst. Das sind alles Elemente der Komplexität, von der ich in meinem ersten Beitrag schrieb.
So, jetzt hab ich viel geschrieben und hoffentlich mehr Klarheit in meine verkürzte Aussage gebracht.